Newsletter 13/22

Interview mit Keynote Speaker Prof. Dr. Andreas Pinkwart, Staatsminister a.D.

Prof. Dr. Andreas Pinkwart bringt zum Turnaroundkongress viel Wissen zu Digitalisierung, Innovation und Management aus seiner Zeit als Wirtschaftsminister, Hochschulprofessor und -rektor.

„Wir leben in einer Zeit großer Herausforderungen und kumulativer Krisen, die Politik und Wirtschaft zu neuen strategischen Weichenstellungen veranlasst, wofür der Bundeskanzler den Begriff der Zeitenwende geprägt hat. Hierzu werde ich aufzeigen, wie sich Schwächen und aktuelle Bedrohungen nicht nur kurzfristig neutralisieren, sondern in nachhaltige Chancen umwandeln lassen“, kündigt Prof. Dr. Andreas Pinkwart an, Keynote Speaker beim 10. Turnaroundkongress. Er unterstreicht damit auch die Relevanz der Kongressthemen, die diesmal vor allem Chancen zu Innovationen und Transformationen in den Fokus nehmen. Daher hält er die Veranstaltung am 5. und 6. September im Steigenberger Grandhotel auf dem Petersberg in Königswinter bei Bonn für zukunftsweisend nicht nur für die deutsche Wirtschaft.

Herr Professor Pinkwart, aktuell dürften die explodierenden Energiekosten für produzierende Betriebe besonders herausfordernd sein. Sie waren bis vor Kurzem als NRW-Wirtschaftsminister nicht nur für Innovation und Digitalisierung, sondern auch für Energie verantwortlich. Zu welchem Energie-Management raten Sie Unternehmen?

Andreas Pinkwart: Zunächst mit der Frühwarn- und dann der Alarmstufe hat die Bundesnetzagentur bereits vor Monaten einen sparsameren Umgang mit Gas über steigende Preise an den Märkten angereizt. Hinzu kommen das Auktionsprogramm  und die EU-weit festgelegten Gaseinsparziele bis hin zur Ausarbeitung des Notfallplans mit staatlicher Rationierung. Die Unternehmen reagieren auf diese Preis- und Mengensignale durch Outsourcing  energieintensiver Prozessstufen an ausländische Standorte oder andere Vorlieferanten, so etwa bei der Herstellung von Amoniak in der Chemie, durch Substitution von Gas durch Kohle, Erdöl oder Biomasse, wofür entsprechende emissionsschutzrechtliche Genehmigungen erforderlich sind, und durch Energieeffizienzmaßnahmen. Dort, wo sich die Weitergabe höherer Energiekosten an die Abnehmer als schwierig erweist, und keine andere Alternative greift, kommt es zu Teilstillegungen oder gar der Einstellung der Produktion. In manchen Fällen erweist sich der Handel mit Lieferkontrakten für einen gewissen Zeitraum profitabler als die Aufrechterhaltung der Produktion.

Innovationen zählen zum besten Krisenschutz. Die Förderbank KfW ermittelte zuletzt für ihren regelmäßigen Innovationsbericht mit 19 Prozent Innovatoren-Quote im Mittelstand aber den niedrigsten Wert seit der ersten Erfassung. Was muss passieren, damit die Bundesrepublik wieder ihrem einstigen Ruf als Land der Erfinder gerecht wird?

Der deutsche Mittelstand verfügt nach wie vor über eine hohe Wettbewerbsfähigkeit dank seiner Innovationskraft. Diese speist sich jedoch stärker als in den Großunternehmen durch die breite fachliche Qualifizierung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in allen Bereichen des Unternehmens und deren enge Vernetzung sowie den hohen Anteil von naturwissenschaftlich-technisch qualifizierten Führungskräften mit enger persönlicher Anbindung an forschungsstarke technische Hochschulen und außeruniversitäre Forschungseinrichtungen. Studien der ETH Zürich haben gezeigt, dass das duale berufliche System Vorteile bei der Innovation mit sich bringt. Wir müssen also vor allem die Qualität der Bildung in Schule, beruflichen Ausbildungseinrichtungen, Hochschulen und Unternehmen stärken und Wissenschaft und Praxis noch besser miteinander vernetzen.

Defizite zeigte auch der „Digitalisierungsindex“, den das Institut der deutschen Wirtschaft für das Bundeswirtschaftsministerium misst. Die befragten Unternehmen erachten die Bedeutung der Digitalisierung zwar als groß, aber ein echter Schub bleibt noch aus. Wie erklären Sie das Loch zwischen Erkenntnis und Umsetzung?

Deutschland zeigt vor allem Defizite bei der Digitalisierung der Verwaltung und bei der Infrastruktur, während die Fabrik 4.0 nicht nur eine deutsche Erfindung ist, sondern vom deutschen Maschinenbau und mittelständisch geprägten IT- und Digital-Unternehmen weltweit mit großem Erfolg vorangetrieben wird. Die öffentliche Verwaltung hat im Bereich Wirtschaft durch unsere NRW-Plattform WSP, die mittlerweile national verfügbar ist, einen großen Schub erfahren, der auch die Kammern umfasst. Aufgrund des Fachkräftemangels sehe ich hier in den kommenden Monaten und wenigen Jahren weitere große Fortschritte. Dazu trägt bei, dass immer mehr Gewerbeflächen über Glasfaser verfügen und sich immer mehr Betriebe an bereits vorhandene Glasfaser anschließen lassen.

Als langjähriger Inhaber des Lehrstuhls für Innovations-Management und Entrepreneurship in Leipzig lautet Ihre Empfehlung an Unternehmensführungen in puncto Krisenvorbeugung und Krisenbewältigung?

Die höchste Gefahr lauert in Zeiten des größten Erfolgs. Daher sind strategische Krisen besonders herausfordernd. Die Verkürzung der Halbwertszeit des Wissens und damit auch der Innovationszyklen macht eine erhöhte Bereitschaft aller Akteure im Unternehmen notwendig, sich ständig neu zu erfinden. Hierfür haben wir das Konzept des Management of permanent Change entwickelt.

Wie können Unternehmen aus Ihrer Erfahrung am besten „über Zukunftsthemen und Innovationen erfolgreiche Geschäftsmodelle ankurbeln“, worauf der Turnaroundkongress diesmal den Fokus legt?

Wichtig ist, dass man das Suchfeld am Anfang nicht zu eng wählt und möglichst viele Akteure intern und extern in die Ideensuche mit einbezieht. Um dies möglichst strukturiert und ergebnisorientiert zu gestalten, eignen sich dabei Megatrends und strategische Herausforderungen als Orientierungsräume, so wie es auch im Turnaroundkongress vorgesehen ist.

Wie können Unternehmen aus Ihrer Erfahrung am besten „über Zukunftsthemen und Innovationen erfolgreiche Geschäftsmodelle ankurbeln“, worauf der Turnaroundkongress diesmal den Fokus legt?

Die großen Transformationen, die von den Unternehmen gegenwärtig zumeist parallel durchlaufen werden, erfordern erhebliche Investitionen, denen vielfach noch keine auskömmlichen zusätzlichen Erlöse oder Kostenminderungen gegenüberstehen, da es sich wie beim Klimaschutz überwiegend um die Internalisierung externer Kosten handelt, die weltweit unterschiedlich hoch anfallen. Daher braucht es auch neue Finanzierungsprodukte wie sie etwa im Rahmen der Initiative „FinConnect“ von Banken und Wissenschaft entwickelt werden.

Sie werden in Ihrer Keynote unter anderem darauf eingehen, wie Unternehmen konsequent ihre Transformationsprozesse angehen und ihre Zukunftsinvestitionen tätigen. Welche zentralen Botschaften darf das Publikum von Ihrem Auftritt auch als Politiker erwarten?

Wir leben in einer Zeit großer Herausforderungen und kumulativer Krisen, die Politik und Wirtschaft zu neuen strategischen Weichenstellungen veranlasst, wofür der Bundeskanzler den Begriff der „Zeitenwende“ geprägt hat. Vor dieser Folie werde ich in meiner Keynote die Chancen herausarbeiten, die sich daraus für das einzelne Unternehmen wie für unsere Wirtschaft insgesamt ergeben, und welchen Beitrag die Politik dazu leisten kann, sie erfolgreich zu nutzen. Hierzu werde ich aufzeigen, wie sich Schwächen und aktuelle Bedrohungen nicht nur kurzfristig neutralisieren, sondern in nachhaltige Chancen umwandeln lassen.

Die Fragen an den Staatsminister a.D. stellte „return“-Chefredakteur Thorsten Garber aus Termingründen schriftlich.

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